Flucht und Vertreibung

Flucht und Vertreibung
Flucht und Vertreibung
 
Flucht und Vertreibung in größtem Ausmaß kennzeichnen das 20. Jahrhundert. Das von Fridtjof Nansen 1921 gegründete Flüchtlingshilfswerk des Völkerbundes hatte bis 1938 über 3 Millionen Flüchtlinge (überwiegend Russen, Armenier und Türken) betreut. In der UdSSR wurden allein in den Jahren von 1926 bis 1939 mehr als 3 Millionen Angehörige verschiedener Völker aus europäischen Landesteilen der Sowjetunion nach Sibirien oder in den Fernen Osten zwangsweise umgesiedelt.
 
Aus Deutschland flohen in den Jahren 1933 bis 1939 mehr als 350000 jüdische Menschen vor den Verfolgungen des NS-Regimes. Eine Million Polen und rund 300000 Juden wurden nach der Eingliederung der polnischen Westgebiete in das Deutsche Reich 1939/40 in das »Generalgouvernement« abgeschoben. Nach dem Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion ließ Stalin rund 400000 Wolgadeutsche und 150000 in Wolhynien ansässige Deutsche aus ihren jahrhundertealten Siedlungsgebieten nach Zentralasien deportieren. Im Zweiten Weltkrieg wurden von den Nationalsozialisten aus den besetzten Gebieten Millionen von Menschen als »Fremdarbeiter« zwangsverpflichtet und der deutschen Rüstungswirtschaft zur Verfügung gestellt.
 
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges betreute die UNRRA (»United Nations Relief and Rehabilitation Administration«) mehr als 13 Millionen Kriegsgefangene und Zwangsverschleppte, von denen bis zum 30. Juni 1947 etwa 6 Millionen repatriiert werden konnten. Nahezu eine Million dieser »Displaced Persons« verweigerten unter Berufung auf Art. 1 der Charta der Vereinten Nationen die Rückführung in ihre Heimatländer.
 
Anfang des Jahres 1945 begann mit den Flüchtlingstrecks der Bevölkerung aus den deutschen Ostgebieten vor der näherrückenden Front eine der größten Flüchtlingsbewegungen der Nachkriegsgeschichte, die mit der Vertreibung der Deutschen aus Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn nach Kriegsende einen weiteren Höhepunkt erreichte. Von dieser Aussiedlungsaktion, die die Westmächte im Potsdamer Abkommen zu humanisieren versuchten, wurden etwa 16,5 Millionen Menschen betroffen; 2,5 Millionen überlebten die Strapazen der Flucht nicht. Nach 1945 setzten große Wanderbewegungen aus der sowjetischen Zone bzw. der DDR in das westliche Deutschland ein.
 
Ähnliche Dimensionen hatten Flucht und Vertreibung in Asien. Nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 flohen 3 Millionen Chinesen nach Hongkong oder Taiwan. Nach der Teilung ihres Landes mussten 3 Millionen Koreaner aus dem kommunistischen Nordteil flüchten, und als 1947 die Unabhängigkeit Indiens und Pakistans proklamiert wurde, kam es zu großen Flüchtlingswellen in beide Richtungen. Nach der Gründung des Staates Israel mussten zwischen einer und zwei Millionen Araber ihre Heimat in Palästina verlassen.

Universal-Lexikon. 2012.

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